Im Blickpunkt standen die engen wirtschaftlichen Beziehungen von Oberfranken zum Nachbarland Tschechien und da insbesondere zu den Regionen Eger und Karlsbad über die dortige Bezirkswirtschaftskammer Karlsbad. Aus tschechischer Perspektive beleuchtete Kristina Larischová das Projekt Europa, nannte den Beitritt vor 15 Jahren eine gute Entscheidung, aus der eine Erfolgsstory geworden sei. „Mein Land ist stark exportorientiert, 80 Prozent unseres Bruttoinlandprodukts (BIP) kommen aus diesen Verbindungen, das BIP hat sich seit der Mitgliedschaft verfünffacht“, sagte die Generalkonsulin der Tschechischen Republik in München. Es sei daher wichtig, den Bürgern diese positiven Eigenschaften der EU als wichtigsten Referenzrahmen für die Innen-, Außen- und Wirtschaftspolitik zu vermitteln. Es gelte aber auch, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, die Unterschiede in den einzelnen Ländern müssten gemindert werden.
Spannende Momente dann in zwei Diskussionsrunden über «Die EU und Globalisierung» und zum „EU-Binnenmarkt“, wo unter der Moderation von Anja-Maria Meister schon mal kritische Töne über die Regulierungswut und die Bürokratie laut wurden, aber zum Weg eines bleibenden gemeinsamen Europas keine Zweifel aufkamen. Bernd Aßmann, Vorsitzender des IHK-Außenhandelsausschusses, forderte auf, mehr zu kommunizieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, „die EU bietet dazu die Chancen“. Trotz mancher außenpolitischer Schwierigkeiten auf dem alten Kontinent dürften die wirtschaftlichen Kontakte zu diesen Handelspartnern nicht abreißen. Und sowohl Klaus Kühnel von der REHAU AG als auch Professor Dr. Bernhard Hetz von der Universität Bayreuth beschäftigten sich mit Zollschranken und Strafzöllen in der Überzeugung: Es gibt da nur Verlierer, einen Handelskrieg kann man letztendlich nicht gewinnen.
Die tschechische Generalkonsulin Kristina Larischová (sitzend) trug sich in das Goldene Buch der Gemeinde ein, ebenso (von links) IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner, MdL Tim Pargent, Bürgermeister Harald Hübner, Landrat Klaus Peter Söllner, MdL Rainer Ludwig, IHK-Vizepräsident Michael Möschel, Hans Peter Schmidt, Ehrenaufsichtsratsvorsitzender der Nürnberger Versicherung, und FEK-Präsident Dr. Gerhard Krüger.
Eindrücke aus dem Fürstentum Liechtenstein
Auf die Probleme und Vorteile eines gemeinsamen Europas ging ein Insider ein: Paul Joachim Kubosch, langjähriger Leiter der EU-Vertretung in München und Nürnberg. „Die Mitgliedstaaten sind keine Engel, sorgen aber für Zivilisation und Friedenssicherung. Staaten wie Deutschland und Österreich neigen zur Perfektion und Reglementierung, was dann in Kompromissen endet, die für die Bürger manchmal unverständlich sind. In der Öffentlichkeit wird nur das registriert, was nicht funktioniert“. Europa zu erklären sei auch eine nationale Aufgabe. Und IHK-Vizepräsident Michael Möschel wollte herausstellen, daß Deutschland ohne die EU nicht diesen Aufschwung genommen hätte, kritisierte jedoch die Flut an Bürokratie für den Mittelstand. Nannte als Beispiel Kraftfahrer, die durch Europa düsen und wegen des individuell geltenden Mindestlohnes hohe bürokratische Hürden überwinden müßten.
Ein Thema war auch der Mangel an Fachkräften. Möschel dazu: „Das gilt auch für sonstige Arbeitnehmer. Es gibt bis heute keine Willkommenskultur für Migranten auf dem Arbeitsmarkt“. Und Dr. Thomas Zwiefelhofer, Tschechischer Honorarkonsul in Liechtenstein und einer der Laureaten der diesjährigen FEK-Europamedaille Kaiser Karl IV., wies noch auf die Fluktuation im Fürstentum hin, „zu uns pendeln mehr Leute als Liechtenstein Einwohner hat“. Man müsse da auch in der EU flexibel sein. Auf die Frage an das Auditorium „Was bedeutet Europa für Sie?“, brachte es ein bekannter Busunternehmer auf den Punkt: „Tausende Kilometer quer durch den Kontinent fahren ohne lästige Kontrollen an den Grenzen, ist das nicht wunderbar!“. Und fügte an, wenn am Nebentisch über Europa gelästert werde, sollte man an diese Freiheit, die es lange nicht gegeben habe, erinnern. Die Wirtschaftsjunioren aus den Kreisen Kulmbach und Bayreuth machten sich in mehreren Redebeiträgen ebenfalls für Europa stark.
«Böhmerland nicht Ausland, sondern unser Nachbar»
Zu Beginn des Wirtschaftstages verdeutlichte Gabriele Hohenner, daß man allen Grund hätte zu feiern: 25 Jahre EU-Binnenmarkt, 15 Jahre EU-Osterweiterung, fünf Jahre Kooperationsvereinbarung mit den tschechischen Grenzregionen und die 10. Neudrossenfelder Europatage. „Uns liegt besonders die Intensivierung der Beziehungen zur Tschechischen Republik am Herzen“, formulierte es die IHK-Hauptgeschäftsführerin. Dies sei nicht nur innerhalb unserer IHK-Strategie 2019 verankert und dokumentiert, sondern mehr als ein Lippenbekenntnis. „Das Böhmerland hat einen Sonderstatus für uns, es ist nicht Ausland, es ist der Nachbar“. Der IHK-Wirtschaftstag sei auch eine Plattform für ein klares Bekenntnis zur Wirtschafts- und Währungsunion und für den EU-Binnenmarkt, der mit seinem Programm mittelständischen Unternehmen neue Marktchancen eröffnet habe. Die Zahlen der bayerischen Wirtschaft sprächen Bände: Im Jahr 2017 gingen 56,2 Prozent der bayerischen Wirtschaft in andere EU-Mitgliedsländer. Es sei daher zwangsläufig, den EU-Binnenmarkt weiter zu vertiefen und gleichzeitig den Bürokratieabbau spürbar zu senken.
Landrat Klaus Peter Söllner und Bürgermeister Harald Hübner bezeichneten den IHK-Wirtschaftstag als Brückenbauer in den Osten. Und nach den Podiumsdiskussionen am Nachmittag blieb es auch am Abend ökonomisch. Die Vertreter der oberfränkischen Wirtschaftsjunioren stellten sich und ihre Arbeit vor, gefolgt von böhmischen kulinarischen Spezialitäten. Für die musikalische Umrahmung war auch an jenem Abend die Karlsbader Jazz-Kombo «seven of – nine» zuständig.